Moderne Zwangsneurosen: Übertriebene „Vernunft“ bei Cybersecurity und Datenschutz

Im nachfolgenden Artikel möchte ich über eine moderne Volkskrankheit der „Millenials“  und „Digital Natives“ berichten, welche alle mittlerweile das Erwachsenenalter erreicht haben. Natürlich sind Neugeborene auch „Digital Natives“, da dieser Begriff aber aus den Zeiten einer bestimmten Generation stammt, möchte ich hier die Zugehörigen dieser Generation betiteln.

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Kennt ihr pedantische Datenschutzprediger, die in penetranter Art und Weise ihr Umfeld zur Vernunft erziehen wollen? Kennt ihr überängstliche Sicherheitsdogmatiker, die ständig über „die Gefahren des Internets“ informieren müssen?

Während der klassische Holzfällerhemdhippster mit seinem Vollbart den Platz im Bundestag längst räumen musste, sprießen diese wie ihre Barthaare auch ohne Piratenpartei plötzlich aus allen Gesellschaftsschichten aus dem Boden. Sind das alles Datenschutz- und Cybersecurity-Experten, die uns endlich zur Vernunft bringen wollen?

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Jeder Mensch hat eine eigene Definition über Vernunft und Unvernunft. Die Vernunft verbietet einem Dinge zu tun die unvernünftig sind. Sie ist eine Einschränkung im Leben. Die Vernunft zu einem Sachverhalt kann für eine bestimmte Person sinnvoll und für eine andere Person nicht sinnvoll sein.

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Somit kann es für ein Modell oder den typischen Social-Narzisten sinnvoll sein, Thirst Traps zu Selbstmarketingzwecken auf Instagram zu posten, was sich für den dickbäuchigen Bartträger eher als unvorteilhaft herausstellt. Diese Verhaltensweise wäre dann aber eher ein Problem der verzerrten Selbstwahrnehmung des Bartträgers. Da der hippe Taliban-Bartträger  aber hip ist, geht er natürlich heute ins Fitnessstudio und teilt seine Aktivitäten anschließend auf Instagram oder Facebook …

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Die Vernunft ist nach Definition des Duden „geistiges Vermögen des Menschen, Einsichten zu gewinnen, Zusammenhänge zu erkennen, etwas zu überschauen, sich ein Urteil zu bilden und sich in seinem Handeln danach zu richten“.

Somit kann das Individuum nur vernünftig sein, wenn es durch sein eigenes geistiges Vermögen die Einsicht erlangt, nach der es sein Handeln ausrichtet.

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Manchmal kommen vernünftig klingende Diktate von Außen – evtl. von einem Hype-Thema wie dem Datenschutz. Es werden Benimm-Dich-Regeln für den Umgang mit den eigenen personenbezogenen Daten von außen diktiert. Man fragt sich dann, ob sich der Datenschutz-Prediger wichtig machen möchte oder als besonders aufgeklärt und gebildet wirken möchte…

„In der Überflussgesellschaft wurde dann weniger Essen zur Disziplin“ war mal der Text einer alten Fernsehwerbung (ich glaube von irgendeinem Diätprodukt). In den Zeiten, in denen mobile Internetgeräte zum Alltag geworden sind und der Computernutzer nicht mehr als Fingertastenakrobat und Couchpotatoe verteufelt wird, ist der Überfluss der Gesellschaft eher die Informationsflut von einfach zu teilenden Daten aus diversen „Social Apps“.  Somit liegt es doch nahe solche Technologien zu verteufeln und den restriktiven Umgang mit den eigenen Daten zu predigen, da diese andere Nutzer eher nerven als ihnen zu dienen.

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Vernunft ist ein anderes Wort für Angst. Angst war noch nie ein guter Ratgeber für das eigene Glück. Vernunft schränkt das persönliche Leben ein.

Solange man also kein krankhaftes Nutzungsverhalten beim Teilen von persönlichen Inhalten an sich selber erkennt, ist die Frage ob man den zahlreichen, übertriebenen Ratschlägen überhaupt Aufmerksamkeit schenkt.

Nun ist es aber so, dass der übertriebene Wunsch/die übertriebene Angst beim Datenschutz oftmals von psychisch erkrankten Personen mit Zwangsneurosen stammen.

Das folgende Zitat stammt von einer Informationsseite über die Behandlung von Zwangsstörungen. Es kann daher helfen, das übertriebene Datenschutzverlangen der Vernunftprediger einzuordnen:

Datenschutz: wie andere öffentlich diskutierte Ängste wird auch die Angst vor Missbrauch mit den persönlichen Daten nicht selten zu einem Thema der Zwangsgedanken mit entsprechenden darauf folgenden Zwangshandlungen. So berichtet ein Patient, er müsse einen großen Aufwand betreiben, damit sein privater Briefwechsel nicht in fremde Hände gelange, man könne nie wissen, ob es nicht Menschen geben könnte, die irgendein Wissen über ihn ausnützen würden. So brauche er beispielsweise viel Zeit um seine private Post so zu vernichten, dass nichts darauf mehr lesbar sei und es auch nicht mehr zusammensetzbar sei. Er wisse zwar dass die unsinnig sei, dass er gar nicht so wichtig sei, dass sich jemand so für ihn interessieren würde, dass dieser den Aufwand betreiben würde zerrissene Papierstücke aus seiner Mülltonne wieder zusammen zu setzen, dennoch werde er die Beunruhigung nicht los, wenn er nicht stundenlang damit beschäftigt sei, alles so klein gerissen zu haben,  dass nicht mehr als ein Buchstabe auf einem Papierfetzen sei, den er wegwerfe. Alleine die Beseitigung der Werbung koste Stunden.“

(Quelle: http://www.neuro24.de/zwangsneurosen.htm)

Die Person hat die eigene Verrücktheit erkannt, bleibt aber im Glauben Sie habe vernünftig gehandelt wenn sie ihre Post vernichtet. Viele der Zwangsneurotiker sind aber Opfer einer eingeschränkten Sichtweise und kognitiver Gebundenheit, da sie sich immer nur auf Teilaspekte des Gesamten bezieht.
@Kognitive Gebundenheit: Der Postvernichter geht z.B. davon aus, dass seine Post erst nach Zustellung gefährlich werden könnte und bei der Post alle sehr ehrlich sind und keiner seine Briefe bereits dort lesen könnte.

Ich kenne auch eine Person mit einer gleichen Störung die zu einer gegenteiligen Handlung führt. Diese Person möchte keine eMails mehr verschicken und begründet dies darin, dass eMails gehackt werden können, weil sie über das Internet verschickt werden. Aus diesem Grund verschickt sie lieber Briefe per Post, da diese nicht gehackt werden können.
@Kognitive Gebundenheit: Im Gegensatz zu der vorigen Person geht diese davon aus, es würde keiner seinen Müll durchwühlen um Informationen über ihn zu sammeln – ferner noch bei der Post arbeiten und seine Briefe lesen.

Eine weitere Person hält es für vernünftig, kein Online-Banking zu nutzen, da sein Computer oder die Bankserver  „gehackt“ werden können.
@Kognitive Gebundenheit: Die Person hält es für sicher, ihre Kontodaten und die Unterschrift mit Namen und Bankverbindung auf Papier zu schreiben. Sie glaubt nicht daran überfallen zu werden oder den Zettel zu verlieren, welcher dann mit seiner Unterschrift missbraucht werden könnte. Sie hat keine Angst davor, dass das Durchdrücken des Kugelschreibers auf einen anderen Block, welcher letztlich auch im Müll landet, zu der Rekonstruktion ihrer Banktransfers führen könnte falls jemand den Müll durchwühlt.

Der Nächste hält den Einsatz von IP-Kameras an Hauswänden für eine Einladung an sämtliche Einbrecher. Diese können nun herauszufinden, ob jemand zu Hause ist, weil man sie hacken kann.
@Kognitive Gebundenheit: Die Person glaubt daran, dass die selbst installierten Kameras ein Sicherheitsrisiko sind anstelle Einbrecher abzuschrecken oder gar zu identifizieren.

Manche Leute denken, dass ihre Smarthome-Geräte (Magenta Home, Somfy usw…)  gehackt werden können und der zweiwöchige Urlaub darin endet, dass alle Heizkörper auf Vollgas liefen und astronomische Heizkosten entstanden sein könnten. Vermutlich lief der Rasensprenkler den ganzen Sommer und das Garagentor ging auf, so dass jemand sein Auto stehlen konnte. Außerdem wurde die Haustür ohne mechanische Einwirkung geöffnet, weil man diese jetzt leicht hacken kann.
@Kognitive Gebundenheit: Früher musste der Einbrecher wenigstens noch die Tür eintreten, über die Dachrinne reinklettern, ein Fenster aushebeln, über die Feuerleiter oder das Nachbarhaus in die Dachluke klettern… Die Autotür musste er mit einem Kleiderbügel öffnen (oder den Funkverkehr des Schlüssels abhören) und das Auto noch kurzschließen – heute kann man das alles ganz leicht hacken.

Ein anderer sieht von der Nutzung des Internets ab da alles gehackt werden kann – sowohl sein Facebook-, Apple-, Hotmail-, Google-,  GMX- und Yahoomail-Account usw….

Der Arbeitskollege glaubt, das Apple seinen Fingerabdruck bei Ermittlungen an die NSA übermittelt (er plant also einen Einbruch???)….

Eine weitere Person hält das Speichern seiner Dateien in Cloud-Diensten wie Microsoft Onedrive,  Dropbox, Google Drive für unsicher, da sie meint das jemand seine ganzen Bilder und Daten durchschauen könnte und dann ein genaues Bild rekonstruiert zu welchem Zeitpunkt er an welcher Stelle gewesen ist.

Stellen wir uns also mal im Ernst die Frage:

„Was ist einfacher – eine 128-Bit-Verschlüsselung zu knacken oder eine Tür einzutreten?“

Werfen wir nun einen Ausblick in die Zukunft: Hier gibt es autonome Autos, Roboter, Internet of things usw… wird das ohne Internet funktionieren?

Nachdem wir uns alle Ängste ansehen kann es eigentlich nur vernünftig sein, gar kein Internet oder eine Vernetzung zu nutzen. Wir werden uns dieser aber kaum entziehen können. Aus diesem Grund ist es wichtig für solche Personen eine Zwangsneurose frühzeitig zu erkennne und sich bei Therapeuten Hilfe zu holen.

Ich hoffe ich konnte mit diesem Text den Leser für den Umgang mit solchen Personen etwas sensibilisieren.

Ciao, Björn